ZeitNahme: über agile Organisationen, Eisschollen und Sprints
Unternehmen haben die Aufgaben Kundenfragen zu lösen und mit Service, der Lieferung von Produkten und anderen Leistungen Deckungsbeiträge zu erzielen. In einem gewachsenen Umfeld eines eingeführten Unternehmens haben sich hier in der Regel Strukturen gebildet, Verbindungen sind gewachsen und funktionieren zu beiderseitigem Nutzen – oder die Selektion hat stattgefunden und das nicht kundenorientierte Unternehmen ist wieder vom Markt verschwunden, solange es nicht durch die EZB Politik als „Zombi“ am Leben erhalten wird.
Entwickelt sich ein Unternehmen – wächst z.B. am Markt – oder verändert sich der Markt durch disruptive Ereignisse wie start-up Lösungen oder tauchen Besonderheiten in der Entwicklung des Marktes auf, häufig auch „schwarzer Schwan“ genannt – so greifen die Strukturen nicht oder nicht mehr richtig. Hoch skalierte Unternehmen, bei denen in erster Linie der Mengenabsatz ein relevanter Faktor ist folgen im konkreten Detail anderen Strukturführungen als innovative oder zuallererst serviceaffine Firmen.
Organisationsstrukturen müssen immer der Ausrichtung und den Anforderungen des Unternehmens genügen. Die richtige Struktur zu finden ist Aufgabe des Managements. Genauso wie die Prüfung, ob Anpassungen nötig sind.
Managementlehren sind bekanntermaßen keine Erfindung der Neuzeit auch wenn sie uns aus grauen Vorzeiten eher selten überliefert sind und wenn dann zu meist dem kriegerischen Umfeld entspringen (Sun Tse – Die Kunst des Krieges, Clausewitz – Vom Kriege sind Beispiel dafür) oder dem politischen Karrieristen (Machiavelli – Der Fürst). Aber zumindest die Ansätze von Taylor – The principles of scientific management, Drucker – Management ua., dem 20. Jahrhundert entspringend, sind den meisten bekannt. Fließbandproduktion (Taylor) findet in Abläufen der Automobilindustrie immer noch ihren Wiederhall und die „objectives“, das Führen mit Zielen (Drucker dürfte hier wohl federführend gewesen sein), ist auch nicht aus der Mode gekommen. Selbst die Findungen von Takeushi+Nonaka hinsichtlich der „knowledge Generating company“, Senges „Lernende Organisation“ oder den Heuristikansätzen von Gigerenzer oder Dörner bzw. die fernöstlichen Methoden des Kanban, Kaizen bis zu den Spielarten des Scrum sind allgegenwärtig. Erschlagen? Man(n) oder Frau sollte sich nicht irritieren lassen.
Man muss nämlich all diese Ansätze – auch im Sinne Senge’s lernender Organisation – als das begreifen was sie nur sein können: Ideen zur Entwicklung eigener Lösungsansätze. Jenseits einer verfestigten Dogmatik. Und „es einfach machen“ ist genauso ein Wortspiel (i.S. des Simplifizierens oder der Aufforderung einfach los zu legen) wie die Aussage nur das Einfache ist die gute Lösung, oft falsch ist. Manchmal muss man (jetzt lassen wir das gendern weg) durch die komplizierten Aspekte steigen und findet doch nur eine komplexe, aber keine einfache Lösung.
Die moderne Entwicklung hat durch die Globalisierung einen Aspekt kapitalistischer Systeme in den Vordergrund gerückt. Die Schnelligkeit von Handlungs- und Produktströmen und die Schnelllebigkeit von Moden und Lösungen. In neuerer Zeit auch der Fluch der Rückwirkung. Im Gegensatz zur Planwirtschaft, die zentralistisch – von oben nach unten, wie auch die zentralisierten, meist hierarchischen, Führungsstrukturen in Gross-Unternehmen – agieren, verlangt der kapitalistische Ansatz eine zentrale Führung häufig nicht über die ganze Leitungsspanne. Im Gegenteil, bei den nicht skalierten Unternehmen ist das sogar häufig kontraproduktiv. Ursache ist die Erkenntnis, dass der Markt eben vielteilig, vielschichtig und nachfragegetrieben ist. Darwin`sche Anpassung in schnelllebigen Zeiten. Der homo oeconomicus (der nicht immer ein „Rationaler“ ist, was wir seit Simons (Invariants) auch wissenschaftlich bestätigt haben) lässt sich in seiner Nachfrage zwar manipulieren, aber eben nur begrenzt dirigieren. Und die abrupten Sprünge von Entwicklungen, zumeist dem Findungsreichtum und der Kreativität – gelegentlich auch dem Zufall – geschuldet, sind nur bedingt prognostizierbar.
Management bedeutet damit, auf die nicht determinierten Varianten der Wirklichkeit, eigene spontane Lösungen zu finden. Nicht die Lösungen von wenigen Denkern im Think tank. Sonst heißt es irgendwann „Denkste“ nicht als Frage ob man es tut sondern als Bemerkung des Scheiterns.
Kanban, Scrum und agile Organisationen haben in letzter Zeit wieder eine gewisse Hoch-Zeit. Und sie können in Zeiten dauernder Veränderungen tatsächlich etwas leisten. Ob SARS oder Corona Virus, Nematoden im Fisch oder BSE Skandale, technische Entwicklungen wegen des Klimawandels oder nur einfach der Dieselskandal, ihnen gemeinsam ist die Einwirkung auf wirtschaftliche Entwicklungen. Milliardeneinbußen in der Touristik oder dem Warenabsatz hinterlassen schnell ihre Spuren im Globalen. Aber auch regionale Faktoren verlangen dauerndes Beobachten, Um- und Neudenken und Reagieren besser noch Agieren.
Mit welcher Managementmethode man dabei am besten ausgestattet ist? Es kommt darauf an!
Und das ist dann aber auch der Lösungsansatz.
Richtig scheint eine Herangehensweise, die Organisationseinheiten definiert, die einerseits Probleme unmittelbar wahrnehmen, identifizieren können und in der gebotenen Schnelligkeit (Analysieren, Identifizieren + Reagieren) auf Grund vorbereiteter Konzepte, Erfahrungswerten – Heuristiken, um es etwas wissenschaftlicher auszudrücken – oder neuen Erkenntnissen agieren.
Das Stichwort heißt Selbstorganisation, schließt aber Anleitung durch andere Organisationseinheiten (z.B. zentrale Führung, Risikomanagement-Bereich oder Fachabteilungen) nicht aus, um auf die regionalen Herausforderungen Antworten zu finden. Stellt man die Frage nach Strukturen, die (auch) eine Selbstorganisation erlauben, landet man in den meisten Fällen in Teilmarkt-Strukturen und Teams, die auf der Grundlage einer gemeinsamen Unternehmenskultur (risikoavers, -affin, aggressiv, bescheiden o.ä.) problemorientierte Lösungen finden und diese unmittelbar und zügig umsetzen können sollten.
Methoden wie Scrum können dafür durchaus hilfreich sein. Das Hauptmomentum einer solchen Organisationsform ist dabei die treffende problemorientierte Analyse, eine schnelle Erarbeitung von Lösungsansätze und eine unmittelbare Umsetzung.
Üblicherweise werden Probleme auf wenige, aber relevante, Aspekte hin betrachtet, weil man davon ausgehen kann, dass die meisten Fragen mit nur wenigen Stellschrauben verändert und gesteuert werden können. Diese Pareto Optimierung (in Kürze: 20 % Input/ 80% Output, oder in die Alltagssprache übertragen: mit 20 % der Stellschrauben löst man 80 % der Probleme, ob man jenseits wissenschaftlicher oder technischer Perfektion mehr benötigt muss man prüfen, aber ein Anwendungsfall der SIGMA Methoden dürfte in vielen Alltagssituationen eher selten notwendig sein) führt dazu, dass man ressourcenschonend agiert und mit wenigen Aspekten schnell und viel verändert.
Und das führt zu einem anderen Störfaktor in der Unternehmenssteuerung. Strategiepläne.
Gemeinhin glaubt man Strategien „planen“ zu müssen. Einen umfassenden Plan zu erarbeiten und konsequent daran festzuhalten. Das scheint der richtige Weg zu einem erfolgreichen Unternehmen zu sein. Aber wenn man es genauer betrachtet muss man feststellen, dass dies nicht zwingend so ist. Auch hier gibt es eine Abhängigkeit zwischen vorhandener Unternehmensstruktur, dem Markt, der Kultur im Unternehmen und vielleicht auch den Produkten des Unternehmens.
Unbestritten sind Strategien ebenso notwendig wie taktisches Vorgehen, aber umso dynamischer der Markt, umso flexibler muss das Unternehmen agieren und umso weniger hilft ein Gesamtplan per se.
Und während man immer weiter auf den oder die strategischen Punkte hinarbeitet, die taktischen Aspekte im Tagesgeschäft umsetzt, verliert man vielleicht aus dem Blick, dass der Leuchtturm der Strategie nur noch das Produkt von vorgestern beschreibt und die abgeleiteten taktischen Momente den Kunden gar nicht mehr erreichen.
Siezen sie noch oder Dutzen sie schon, Verkaufen sie im Cross sale, online und/oder analog, anglisieren Sie Ihren Auftritt übernational und national. Spricht Ihr Kunde dieselbe Sprache wie das eigene Unternehmen?
Das ist nicht falsch zu verstehen: eine strategische (auch eine taktische) Ausrichtung insbesondere von mittleren und großen KMU´s ist sinnvoll und notwendig. Insbesondere große KMU`s oder Großunternehmen dürften damit auch besonders effektiv umgehen können. Bei Ihnen kommt es auf Konformität in den Abläufen und der Produktgestaltung und des -vertriebes besonders an. Aber das ist eben nicht zwingend. Der Plan sollte nicht als detaillierte Werkplanung missverstanden werden, sondern als Anleitung zur Orientierung, vielleicht auch nur als Skizze.
Kundenorientierung ist auch in den üblichen Betrachtungszeiträumen einem Wandel unterworfen, ob auf Jahres- oder Dreijahresebene. Längere Zeiträume können sowieso nicht ernsthaft prognostiziert werden. Wer es nicht glaubt, sollte sich einmal die volkswirtschaftlich relevanter Daten der letzten Jahre zu Rate ziehen und deren prognostische Zielerreichung. Die Abweichungen sind beeindruckend (und das auf 12/24 Monatszeiträume).
Sinnvoller scheint es da strategische Aspekte aus den Möglichkeiten der eigenen Unternehmung und der Annahmen hinsichtlich des Marktes und der Kunden zu entwickeln und diese in vernünftigen Zeitläufen zu hinterfragen, bei Abweichungen die Gründe zu ermitteln und dann sofort und unverzüglich Anpassungen vorzunehmen. Das entspricht auch hier wieder einer Pareto-Optimierung. Solange man den anvisierten Leuchtturm beibehält kann es dann schnell zum „Eisschollenspringen“ führen. Während man glaubt durch den Einsatz einer effizienteren Struktur bestimmte Produkte zu besseren Preisen zu schaffen und damit – als Kostenführer – den Marktabsatz zu bewegen (eine Eisscholle), kann sich herausstellen, das es viel wichtiger ist, die Preiswahrnehmung zu verändern, um die Marktführerschaft zu erreichen, und über das Vehikel von weichen Faktoren die Absatzgestaltung anzukurbeln (eine andere Eisscholle). Vielleicht auch auf Teilmärkten separate Umsetzungen des strategischen Gesamtansatz zu erreichen oder die Unternehmenskultur zu verändern, um die Vertriebskraft des Unternehmens auszubauen oder zu stärken(noch eine Eisscholle).
Auf eine andere Eisscholle zu wechseln bedeutet noch lange nicht das Ziel aus dem Auge zu lassen, aber es ergeben sich Umwege, die ihrerseits auch neue Chancen beinhalten können und damit Auswirkungen auf den Leuchtturm, (also insoweit doch) das strategische Ziel, haben.
Betrachtet man die Märkte auf denen sich in schneller Folge Veränderungen einstellen können (Regionalmärkte, Niederlassungsbereiche, nationale oder übernationale Märkte), so sind diese einerseits ein Informationsthema und andererseits ein Kompetenzthema. Das Informationsthema führt in der heutigen Zeit zumeist zu Fragen des Dataware House (über das wir schon seit 40 Jahren reden, nur die wenigstens verwenden das aber in einem konsequenten Konzept), der Datenanalyse im klassischen (Marktstudien etc.), aber auch modernen Sinn (Auswertungen über artifizieller Intelligenz, was nicht intelligent im landläufigen Sinne sondern künstliche, durch selbstlernende Algorithmen, auszuwertende Nachrichten und Informationen) meint. Und im Bereich der Kompetenz geht es um Teamstrukturen (das reicht vom offenen, kommunikativen gleichgeordneten Team, dem an der Verhaltensbiologie orientieren Wolfsrudel oder auch dem Silberrücken, manchmal auch den reinen Einzelkämpfern, „Trüffelschweinen“ u.ä.). Die gern gepredigten Vorgaben für den richtigen Weg? Kann man vergessen, wenn man die Methode oder Struktur nicht aus dem Stamm der Mitarbeiter heraus entwickelt oder sich genau dieses Mitarbeiters besorgt.
Im Grunde scheint ein wichtiger methodischer Ansatz der der Stoiker zu sein (die Stoa war eine antike Philosophie, die ihre Wurzeln in der Rationalität, dem Logos, findet und danach die Welt strukturiert – Xenon, Seneca und Leibnitz zählten unter anderem zu ihren Vertretern):
suche nach dem eigenen inneren Kern (der arretei) und lebe ihn.
Das gilt auch für Unternehmen und ihre von Menschen getragene Verfasstheit.
Das schließt nicht aus, dass man Teams nach Vorgaben von Managementmethoden zusammensetzt.
So sieht der Scrum Ansatz, der vor allem in agilen Unternehmensstrukturen Verbreitung findet vor, dass man jemanden als Moderator/Anleitenden (meist Scrum master genannt) des Diskurs zu den Problemen einsetzt, der die Team Besprechungen anleitet, ohne selber darin operativ beteiligt zu sein. Was eine Anleitung zur Findung von Problemlösungen nicht ausschließt. Andere Personen (meist product owner genannt) mit der Verantwortung für die Produkte, Probleme oder zu klärenden Fragen (die man in einem Blog/einer Arbeitsliste erfassen kann) betraut, der auf die Verfolgung von zügigen Lösungen verpflichtet ist und innerhalb des Teams Mitarbeiter (Scrum team) mit dem nötigen Fachwissen und Problembewusstsein einbezieht.
Auch wenn die Methode aus der IT Technik kommt (zur schnellen Entwicklung von Software) ist es hervorragend geeignet in mittelständischen Unternehmen Lösungsansätze zu steuern. Nimmt man das Beispiel einer erkannten Neu-Strukturierung einer Niederlassung im Einzelhandelsbereich (unterstellt ein Unternehmen mit einer Vielzahl an Niederlassungen und zentralisierten Diensten im Bereich kaufmännische Geschäftsführung) so könnte eine solche Struktur wie oben dargestellt aussehen.
Die Differenzierung des StOA Modell gegenüber dem (schon) klassischen Scrum-Modells resultiert daraus, dass hier keine vorgegebene Auftragsarbeit zu erledigen ist, sondern Problemfelder in einem dynamischen Umfeld eine Klärung bedürfen.
Der einbrechende Umsatz einer Niederlassung, die Änderung gesetzlicher Vorgaben oder die aggressive Preispolitik der Konkurrenz.
In einer Kick-Off Sitzung ist dann ein erster Entwurf (nicht unbedingt die Lösung) das Ziel, aus der sich eine Anzahl von Maßnahmen herleiten lassen sollten. Der Grundsatz der Pareto-Optimierung (man sucht die wenigen Stellschrauben, die die meiste Wirkung auf die Ziele haben) und Heuristiken (landläufig auch „Bauchgefühl“) sind dabei ein wichtiges Hilfsmittel. Natürlich kann man auch auf Brainstorming, Brainwriting, Stärken-Schwächen Analysen oder sonstige aus den seminaristischen Tätigkeiten mehr als bekannte Techniken setzen, um eine Lösung zu finden.
Der Strukturierer im StOA Modell ist hier in der Regel der „Pfad-Finder“, weniger der Mediator oder Auftraggeber wie es der Product Owner im Scrum Modell ist. Er strukturiert das Problem in einem offenen Diskurs und konterkariert die Lösungsansätze, hat insoweit noch Einfluss, auch wenn das Team „vor Ort“ entsprechendes Gewicht haben sollte. Die Ergebnisse des Kick Offs werden an das Team in Form von kurz formulierten Maßnahmen/Aufgaben übergeben und dort in einem strengen Zeittakt bearbeitet/Änderungen und Anpassungen unterworfen. Der Organisator begleitet das Team in der täglichen (kurzen) Besprechung, ähnlich wie der Scrum Master, leistet eventuell Recherchen, beseitigt organisatorische Hindernisse und konzertiert die Arbeit der Gruppe. Ob man den Zeittakt täglich (dailly sprint) stattfinden lässt oder der Gesamtlauf (Sprint) auf 30 Tage konzipiert ist hängt von der Struktur des Unternehmensbereichs und den tatsächlichen Problemen ab. Bei einem Preiskampfthema kann auch der eigentliche Zeitlauf/Scrum im Wochentakt liegt und statt dem „dailly meeting“ mehrmalige Treffen pro Tag in Frage kommen, um das Pricing z.B. im Online-Verkauf zeitnah zu gestalten.
Der Adminstrator, der im Scrum nicht vorgesehen ist, hat die Aufgabe notwendige Prozesse und Veränderungen zu dokumentieren, vertritt den Organisator und stellt das Ergebnis in geeigneter Form dem Team und den übrigen Beteiligten vor. Sinnvoll ist es immer am Ende eines Zyklus eine „Nabelschau“ zu betreiben, Methode und Lösungsansätze zu hinterfragen und die Erfahrung für zukünftige Fälle vorzuhalten (was dann zu einer spezifischen Heuristik und einer spezifischen Unternehmenskultur führen kann).
Der Vorteil des Systemansatzes liegt vor allem in seiner Möglichkeit in schnellen, kleinen Anpassungen an einer Lösung zu arbeiten. Sich nicht auf „den Lösungsansatz“ zu fixieren, vorbeischwimmende „Eisschollen“ (alternative Lösungsansätze also), trotz der ungewissen Fahrroute, ebenso ins Kalkül zu ziehen und dadurch für weitere Alternativen offen zu sein.
Einen Versuch wert, wie wir meinen.