Ein amerikanisches Problem und seine Auswirkungen

Ein amerikanisches Problem und seine Auswirkungen

Was man von Brzezinski & Schumpeter lernen kann

Man hat ihn fast schon vergessen. Brzezinski war Sicherheitsberater unter Jimmy Carter, Schlüsselfigur bei den Camp David Verhandlungen, dessen Ergebnis  jedenfalls eine ganze Weile die Konflikte im Nahen Osten in Grenzen hielt.[1] Er prophezeite am Ende seines Lebens, dass die USA sich von ihrem Führungsanspruch verabschieden würde. Und dass obwohl der Führungsanspruch zum Zeitpunkt seiner Aussage noch unbestritten (und für die restliche Welt vordergründig eine bequeme Lösung) war. Nach Brzezinski, dann ein zu erwartendes „Desaster für Amerika und die restliche Welt“.  

Seine Kritik basierte darauf, dass Geschichte sich nicht aufhalten lässt und der dauernden Veränderung unterliegt. Ein Führungsanspruch allein kann und konnte sich nicht dagegenstellen.

Er kritisierte die Hybris der amerikanischen Führung und vor allem das ihr fehlende Verständnis für die Änderungsdynamik in den politischen Konstellationen.

Er befürchtete, dass Amerika das Zusammenwirken von Russen, Chinesen oder dem Iran durch ungeschickte Politik befördern könnte.

Er glaubte, es sei nicht gut, wenn man seinen Kontrahenten die Möglichkeit gibt sich zu verbinden, um gemeinsame Opposition zu gestalten.[2]

Wann dieser Abstieg begann, kann man gar nicht genau beschreiben, aber gerade eben nimmt dieser Prozess „Fahrt“ auf. Und mit Trumps Politik des „Deal“ Machens[3], wird der Abstieg befördert. Gerade diese Politik unterstützt die Annäherung Russlands und Chinas. Sie verlagert das geopolitische Potential noch mehr nach Asien. Man könnte die Hoffnung hegen, dahinter stehe ein strategisches Konzept auf das man eine Antwort ausrichten könnte. Aber außer dem Wunsch zu gewinnen, sein eigenes (!) Vermögen zu mehren, keine „Verwundeten“ zurückzulassen, sind keine übergreifenden Strukturen beim Verhalten von Trump zu erkennen. Die Gruppe, die versucht ihn zu manipulieren mag ein Konzept haben. Er hat es nicht. Das belegt seine Geschichte: seine wirtschaftlichen Aktivitäten sind in den 70er und 80er am laufenden Band gescheitert und scheitern auch heute noch (noch im November 2024 gab es Marktbeobachter, die die 1,4 Mrd. $ Schulden Trumps als existentielle Bedrohung für ihn bezeichneten, die ihn fast zum Verkauf seiner Medienfirma zwangen; nur die Präsidentschaft rettet ihn. Seine Insidergeschäfte, die er selber durch präsidiale Maßnahmen wie die Zollankündigungen und -rücknahmen auf den Weg setzt sind bekannt und werden wohl nur auf Druck des Weißen Hauses und seiner Entourage nicht weiterverfolgt. Deals seiner Familie, die die Frage von Korruption aufwerfen (zuletzt auch das „Bitcoin“/Trump Coin  Dinner im Weißen Haus), sind dafür weitere Indizien.

Brzezinski hätte wahrscheinlich geraten die Angst der Russen vor den Rückforderungsüberlegungen, ehemals vom zaristischen Russland den Chinesen abgenommener Gebiete, durch die chinesischen Führung zu schüren und auf den Umstand hingewiesen, dass der Klimawandel Gebiete in der russischen Tundra bewohnbarer werden lassen könnte. Ein Umstand, den die chinesische Führung, die bevölkerungspolitisch unter Druck steht (man mag sich an die kruden Gedanken des „Raum im Osten“ erinnert fühlen), bei ihren expansionistischen Überlegungen sicher nicht ganz außeracht lassen wird.

Eine Auswirkung der amerikanischen Politik: es ist wieder en vogue geworden über territoriale Bereinigungen nachzudenken (sie zu fordern oder umzusetzen). Die Erfahrungen erfolgloser Kriege und Okkupationen – u.a. Vietnam, Afghanistan, Irak – die nicht realisierte Chance aus dem Zusammenbruch politischer Systeme etwas Gemeinsames wachsen zu lassen, ist vertan. Vielleicht war die Chance auch nie da. Fukuyamas These über das „Ende der Geschichte“ lässt sich nicht belegen.

Nicht immer geht es um territoriale Eroberung wie bei Putins „Rückholung des Tatarischen als Teil der russischen Seele“ oder wie bei Netanjahu der die Hamas „vernichten“ will und doch nur die Palästinenser aus dem Gaza Streifen entfernen möchte[4],  seine eigene Machtposition zu sichern versucht, (auch) um von der Erfolglosigkeit der eigenen Politik abzulenken.  Das sind die aktuell bekanntesten Strukturen dieser Art, die in der Presse kommuniziert werden. Vom Kaukasus, Berg-Karabach, den Versuchen in Moldavien, Tibet  u.a. Gegenden der Welt gar nicht zu reden.

Selbstverständlich gehören auch die kaum verdeckten Drohung Trump’s an seine Nachbarn, bisher nur Grönland, Kanada oder Panama, sie zu übernehmen, weil er paternalistisch wie er ist, als einziger den richtigen Weg kennt, dazu.

Ob die Menschen in Amerika, die den  Rechtsstaat oder die Demokratie für einen wichtigen lebenswerten Faktor halten die Gelüste der (noch) wichtigsten Führungskraft des Westens und ihrer Vertreter in den Griff bekommen und es wieder zu einer verlässlichen Politik kommt, ist nicht sicher; aber wie Brzezinski in seinen Schriften zu recht ausführte bleibt Geschichte nicht stehen oder – was schon die alten Griechen wußten, die sich gegen Darius III. durchsetzen mussten – :  Panta rhei , alles fließt.  Amerika ist eine große, aber bei weitem nicht die größte, Volkswirtschaft in der Welt. Analysiert man die Herkunft des Bruttosozialproduktes (29.000 Mrd. $), die Verschuldung (36.000 Mrd. $, die durch die letzten Steuergesetze noch erhöht werden wird und deren Auswirkung auf die Anleihenmärkte schon jetzt bemerkbar sind) und deren Finanzierung (größter Gläubiger ist Japan, nachdem China seine Anleihen erheblich zurückgefahren hat[5]) und den gerade (wohl) einsetzenden „Auszug der fähigen Köpfe“, so kann man berechtigterweise von einem Niedergang sprechen. Die erratische Verhaltensweise von Trump fördert das und eine, hinter Trump stehende gesamtstrategische Mannschaft mit einem zumindest für Amerika sinnvollen (!) Konzept – wie noch zu Zeiten Busch II zu identifizieren[6] – ist nicht erkennbar. D.h. dass sich die Führungslosigkeit in Unberechenbarkeit und Chaos wandelt.

Und was bedeutet diese Politik für den Standort Deutschland, für Europa?

Wenn sich die europäische und die deutsche Führung nicht anstecken lässt, dann bieten sich hier mehr Chancen als Risiken.

Wird der Dollar schwächer, verliert er vielleicht sogar seine Funktion als Leitwährung, dann könnte es mit der Finanzierung der amerikanischen Defizite über den Geldtransfer aus dem Ausland und dem Kauf amerikanischer Staatsanleihen eng werden, Zahlungsströme nach Europa oder in den asiatischen Raum wären und sind auch zum Teil schon die Folge.

Wenn Europa seine Widerspruchsgeister in den Griff bekommt, sich wieder auf die Lösung von Problemen der europäischen Menschen und nicht auf politisches Positionieren konzentriert, dann könnte das einen Führungsanspruch Europas noch einmal aufleben lassen. Lagarde ist zuzustimmen, wenn Sie die Europäer auffordert das in den Blick zu nehmen und über den Euro als alternative Leitwährung in der Welt nachzudenken.

Europa sollte sich auch seiner wirtschaftlichen Kraft bewußt sein. 450 Mill. Menschen[7], ein Bruttosozialprodukt von rd. 18.000 Mrd. Euro oder 20.000 Mrd. $, bei einem Schuldenstand von rd. 14.500 Mrd. € / 18.000 Mrd. $. einer der größten Wirtschaftsräume und noch gehört Deutschland, mit 84 Mill. Einwohnern und 4.700 Mrd. € BIP,  zu den führenden drei Wirtschaftsnationen in der Welt. Darauf kann man sich nicht ausruhen. Panta rhei. Aber wenn man dem freien (Erfinder-)Geist wieder mehr Raum lässt, die Knebelung durch unsinnige Egalisierung und Standardisierung und die Verpflichtung zur Weltverantwortung für alles und jeden beendet, dann wird auch die Produktivität wieder steigen, die Investitionsbereitschaft zunehmen und das Wirtschaftswachstum, das man benötigt eintreten.

危机

Hier ist der Hinweis auf Schumpeter angebracht, der in der Vernichtung oder dem Konkurs, der Bankrotterklärung, einerseits eine Zerstörung und ein Ende feststellte, aber eben genauso die Möglichkeit eines Neuanfangs. Eine Idee, die nicht nur dem westlichen Kapitalismus eigen ist, gegen den Schumpeter eher skeptisch eingestellt war, sondern auch den Chinesen bekannt ist, die im chinesischen Zeichen der (wēijī ) Krise, die Gefahr und die Chancen, zusammenfassen.

Die Welt ist in Unordnung. Autokraten wie Putin, Orban, Netanjahu und nicht zuletzt Trump machen es schwer an eine positive Zukunft zu glauben. Aber man muss den Blick auf die naheliegenden, für den Einzelnen gestaltbaren Fragestellung richten. Sich durch Drohungen eines Medwedew über einen Atomkrieg nicht verunsichern lassen und andere bei deren Projekten – zum Beispiel den Aufbau der inneren und äußeren Sicherheit – unterstützen. Auch wenn der „Virus“ sich in der Vergangenheit schon in Europa breit macht.[8] Und amerikanische Unternehmen wie AirBnB, Uber oder Walmart europäische Regeln für unbeachtlich erklären.

Gemeinsam, respektvoll und auf Lösungen fokussiert, die wir mitgestalten können. Man sollte eigene Stärke sicherstellen, aber dabei nicht den Respekt für Andere verlieren.

Es gibt viel zu tun, packen wir es an.


[1] Über ihn hat Ed Luce aktuell eine Biographie herausgegeben.

[2] Ein Aspekt, der auch im unternehmerischen Bereich seine Entsprechung hat.

[3] Dem Hanseaten stellen sich bei solchen Ansätzen sämtlich Haare. The winner take it all ist eine Methode bei der es nur wenige Gewinner und viele Verlierer gibt, dessen Nebeneffekt eine gespaltene Gesellschaft sein wird oder ist.

[4] Was umso krasser klingt, wenn man bedenkt, dass durch die fehlerhafte britische Politik der späten 40er gerade dieses Land den Palästinensern entzogen wurde, sie – nach anfänglich durchaus versöhnlichen Entwicklungen – zu Israelis II. Klasse wurden und das alles, obwohl die, denen man den Zugang bzw. deren Vorfahren im Großen und Ganzen eröffnete nie in diesem Landstrich beheimatet waren. Vgl. Shlomo Sand, Die Erfindung des jüdischen Volkes

[5] Aktuell immerhin rund 6.700 Mrd. Euro, knapp 20% des gesamten Defizits liegen in China,Japan und Europa

[6] Das ändert nichts daran, dass der II. Irakkrieg das Problem im Nahen Osten geradezu geschürt hat und falsch war, aber damals gab es jedenfalls eine verlässliche Position egal wie man dazu stand.

[7]  Nur EU-27

[8]  Auch Johnson hat auf die Frage, das er doch an europäische Verträge gebunden sei, sinngemäß geantwortet : Verträge kann, aber muss man nicht einhalten.

Die Kommentare sind geschlossen.